im Raum Neunkirchen / Wr. Neustadt
Psychotherapeut (PP)
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12.2.2024
In einem Erstgespräch lernen wir einander erstmals kennen. Sie können dabei nachspüren, ob Sie sich in meiner Praxis und mit meiner Arbeitsweise wohlfühlen. Ich lade Sie herzlich dazu ein, zu erläutern, was sie dazu geführt hat, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ich stelle Ihnen einen sicheren Rahmen zur Verfügung, in dem Sie Ihr Herz ausschütten können. Sie können mir Ihre Leidenssituation vermitteln und Ihren Gefühlen freien Lauf lassen, auch Tränen dürfen dabei fließen.
Das Erstgespräch ist für Sie im Allgemeinen eine neue Situation: vielleicht wissen Sie noch nicht, was in einer Psychotherapie auf Sie zukommt. Die neue Situation, das neue Gegenüber, der neue Raum - all das macht oft sehr aufgeregt. Das kann es im Erstgespräch erschweren, in sich hinein zu spüren und das zu äußern, was so am Herzen liegt. Oder aber Ihre Verzweiflung ist so groß und im Vordergrund, dass Sie sich von Anfang an in Ihren Äußerungen ihren Weg bahnt. So verschieden, wie Menschen sind, so unterschiedlich kann das Erstgespräch ablaufen: von einem ersten vorsichtigen Abtasten, was geäußert werden kann, bis zu einem Öffnen von Schleusen, durch die sich Ihr Leid seinen Weg sucht.
Viel wichtiger als eine strukturierte Darstellung Ihrer Schwierigkeiten ist mir, anhand Ihrer Äußerungen Ihre innere Welt verstehen zu lernen. Ich möchte mitempfinden, was Sie bewegt, um Sie von ganzem Herzen mit all Ihren Gefühlen und Widersprüchlichkeiten anzuerkennen und anzunehmen.
Schließlich werde ich Ihnen meine Arbeitsweise erläutern und wir klären den organisatorischen Rahmen einer Psychotherapie, einer Selbsterfahrung, eines Coachings oder einer Supervision ab.
Aufgrund der Eindrücke im Erstgespräch können Sie entscheiden, ob Sie die Arbeit mit mir fortsetzen wollen oder ob Sie vor einer Entscheidung noch andere Psychotherapeut:innen bzw. andere Psychotherapiemethoden kennenlernen möchten. Am wichtigsten für den Erfolg einer Psychotherapie ist, dass Sie sich mit Ihrer Psychothrepeut:in wohlfühlen – darin sind sich alle Psychotherapiemethoden einig.
Wenn Sie sich zu einer Fortsetzung der Psychotherapie in meiner Praxis entschließen, vereinbaren wir regelmäßige Termine zu jeweils 50 Minuten. Dabei ist ein ein- bis zweiwöchiger Abstand der Termine für die Entstehung eines kontinuierlichen Therapieprozesses von Vorteil. Die Bestimmung des Tempos geben Sie selbst vor, genauso wie Sie selbst die Themen bestimmen, bei denen Sie der Schuh drückt. Dabei möchte ich Sie darin unterstützen, sich Ihrer Gefühle und Bedürfnisse im Zusammenhang mit für Sie schwierigen Themen und Situationen bewusst zu werden. Auf diese Weise können Sie Ihre Gefühls- und Bedürfnissituation, also sich selbst, besser kennenlernen. Daraufhin können Sie Ihren Alltag und Ihr Leben besser nach Ihren Bedürfnissen ausrichten, wodurch es Ihnen besser gehen kann.
Nachdem wir nicht nicht fühlen und nicht nicht denken können, besteht nie ein Mangel an reflektierbaren Themen. Weil es aber zuweilen schwierig sein kann, das Gefühlte bzw. Gedachte zu äußern, können Sie sich blockiert fühlen, als wäre in Ihnen alles leer, vielleicht auch voller Angst. Gerade dann ist diese Blockade ein Thema, das sehr ergiebig sein kann. Meine Aufgabe ist es, Ihre Ängste zu bemerken, sie anzunehmen und Sie keinesfalls zu überfordern. Sie selbst sind jederzeit eingeladen, Ihre Befürchtungen und Wünsche zu äußern und Sie selbst bestimmen stets die thematische Richtung. Dabei muss nicht ununterbrochen gesprochen werden, es kann auch nachgespürt, nachgedacht werden oder Sie können allfällig entstehenden inneren Bildern nachgehen.
Tief verinnerlichte Gefühle und Bedürfnisse können entstehen, weil sie unter Belastungssituationen von existenzieller Bedeutung für Sie waren. In einem anderen neuen Kontext können sie sehr hinderlich werden. So können sehr gesunde Reaktionen auf widrige äußere Bedingungen in einer späteren neuen Lebenssituation nach Wegfall der widrigen Umstände trotzdem einen Leidenszustand bewirken: Die früher verinnerlichten Reaktionen passen nicht zu dem jetzt sicheren Umfeld. In der Psychotherapie geht es darum, belastendes Erleben in einem sicheren Umfeld emotional neu bewerten zu können. Damit geht ein neues sichereres Erleben einher. Das wird nicht nur in den Therapieeinheiten geschehen, sondern auch in den Alltag hinein weiterwirken. Dieser emotionale Lernprozess wird, wie alle Lernprozesse, Zeit und Ihre Geduld erfordern. Er wird auch mit zeitweisen Rückschlägen verbunden sein.
Wenn Sie nie Radfahren gelernt haben, könnten Sie sich das Vorgehen beim Radfahren erklären lassen. Mit dem Ratschlag, den Lenker in die Hand zu nehmen, sich auf den Sattel zu setzen und in die Pedale zu treten, wird Ihnen aber noch wenig geholfen sein. Auch die physikalische Erklärung, dass das Fahrrad durch die rotierenden Massen der Räder vom Umfallen umso mehr abgehalten wird, je schneller sie fahren, wird Ihnen das Radfahren kaum erleichtern. Vermutlich wird jeder erste Versuch, sich auf das Fahrrad zu setzen, mit Angst verbunden sein. Sie werden mit ihrem Körper selbst die Erfahrung machen müssen, wie das Fahrrad auf ihre Bewegungen reagiert und wie Ihr Körper darauf reagieren kann. Sie werden dabei auch Fehler machen müssen, um aus ihnen lernen zu können. Dabei wird es günstig sein, wenn zur Sicherheit eine "Sporttherapeut:in" Ihr Fahrrad hält, während Sie sich erstmals daraufsetzen und dann mit Ihnen bei den ersten Fahrversuchen mitläuft. Sie kann Ihre Gefühle der Angst, oder Stolz, etwas gut gemacht zu haben oder Ärger, wenn Ihnen etwas nicht gelingt, anerkennen. Sie kann Ihnen eigene Eindrücke und Gefühle dazu zur Verfügung stellen. Sie kann Sie vor Stürzen bewahren, indem sie Sie auffängt. Für all das muss die "Sporttherapeut:in" nicht mal selbst Radfahren können, es kann aber helfen, wenn sie mal gelernt hat, auf einem Seil zu balancieren oder Fußball zu spielen und selbst die Erfahrung gemacht hat, wie eine körperliche Fertigkeit gelernt werden kann. Günstig wird sein, wenn die "Sporttherapeut:in" gelernt hat, nicht zu erwarten, dass eine Erklärung der zum Radfahren nötigen Aktionen allein dazu führt, dass Sie Radfahren können.
Auch in der Psychotherapie sind verstandesmäßige Erklärungen oder gar Ratschläge kaum geeignet, um Ihnen Ängste zu nehmen und psychische Schwierigkeiten zu lösen. Es geht vielmehr um emotionales sich Ausprobieren und Kennenlernen in Begleitung einer Psychotherapeut:in. Die Psychotherapeut:in muss nicht im eigenen Leben das gleiche erlebt haben wie Sie. Eine gewisse Lebenserfahrung der Psychotherapeut:in wird jedoch nützlich sein. Günstig ist, dass Psychotherapeut:innen in einer fundierten Ausbildung gelernt haben, wie psychotherapeutische Prozesse ablaufen und wie sie in Gang gesetzt werden können.
Wenn Sie Ihrem eigenen Erleben wieder trauen können, wenn Sie sich von Ihren Gefühlen wieder leiten lassen können, weil sie nicht mehr unter den Ängsten vor den Beurteilungen anderer verschüttet sind, dann werden Sie das Gefühl bekommen, Ihr Leben wieder selbst in der Hand zu haben. Dann werden Sie mit dem Gefühl, sich selbst zu helfen zu wissen, das Ende der Psychotherapie gekommen sehen.
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5.1.2022
Psychotherapie versteht sich als Abhilfe von psychischen, psychosozialen oder psychosomatisch bedingten Leidenszuständen. Als Inkongruenz zwischen dem erlebten Geschlecht einer Person und dem ihr zugewiesenen Geschlecht ist Transidentität ein solcher Leidenszustand, bei dem Psychotherapie helfen kann. Dabei geht es um eine unterstützende Begleitung auf dem hürdenreichen Weg, den die Klient:in gehen möchte, um die Diskrepanz zwischen erlebtem und zugewiesenem Geschlecht aufzulösen.
Das Gesundheitsministerium hat im Jahr 2017 Empfehlungen für die Vorgangsweise herausgegeben1. Dabei geht es um eine Vorgabe der Voraussetzungen für eine Personenstandsänderung, eine hormonelle Angleichung des Körpers an das erlebte Geschlecht, eine chirurgische Angleichung des Körpers sowie eine postoperative Begleitung. Dabei handelt es sich um sehr weitreichende, großteils unumkehrbare Transformationen. Diese sind mit allen erdenklichen Erschwernissen im psychischen, sozialen und somatischen Bereich verbunden. Neben der Unterstützung bei der Entscheidung, wie weit dieser Weg beschritten werden soll, kann Psychotherapie eine wertvolle Hilfe bei der Bewältigung all der Hürden auf diesem Weg sein.
In den Empfehlungen des Gesundheitsministeriums wird die fachärztliche, klinisch-psychologische und psychotherapeutische Begleitung vorgezeichnet. Demnach wird für die meisten Schritte im Zuge der Angleichung des Körpers an das erlebte Geschlecht (diagnostischer Prozess, hormonelle Angleichung, chirurgische Angleichung) jeweils eine Stellungnahme durch
Ich halte Psychotherapie als unvereinbar mit einer beurteilenden Funktion der Psychotherapeut:in. Erstens wäre das für das Verstanden-Werden der Klient:in durch die Therapeut:in auf gleicher Augenhöhe hinderlich, zweitens ist die Erwartung einer günstigen Beurteilung hinderlich für die Klient:in, in der Psychotherapie offen aus sich herausgehen zu können. Daher ist mir eine Trennung der beurteilenden Stellungnahmen von der Psychotherapie sehr wichtig. In Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Gesundheitsministeriums ist dies auch möglich, indem die Stellungnahmen jeweils von psychiatrischer und klinisch psychologischer Seite erstellt werden, während die Psychotherapie an den Stellungnahmen unbeteiligt bleiben kann. Mit dieser Trennung ist eine notwendige Voraussetzung dafür gewährleistet, dass Psychotherapie eine offene und freie sinnvolle Unterstützung auf diesem schwierigen Weg sein kann.
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20.3.2020, Fassung vom 4.4.2020
Die aktuellen Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus greifen tief in unseren Lebensalltag ein. Dadurch und durch die vielen aufgeworfenen Unsicherheiten sind wir erheblich erhöhten psychischen Belastungen ausgesetzt. Viele unserer Gewohnheiten müssen verändert werden. Das soziale Leben, von dem wir als soziale Wesen ganz stark abhängen, bricht weg. Betagte Menschen müssen sich in Isolation begeben, wobei gerade diese Bevölkerungsgruppe häufig vielfach ohnehin schon zuvor von Isolation bedroht war. Innerfamiliäre Konflikte werden durch die Eingrenzung des Bewegungspielraums außerhalb der eigenen vier Wände auf die Spitze getrieben.
Durch die Prioritätensetzung im Gesundheitssystem mit dessen Herunterfahren auf einen Notbetrieb mit erschwerter Zugänglichkeit zu Rehabilitationseinrichtungen, Hausärzt:innen, Fachärzt:innen und Krankenhäusern komme es zudem zu gefährlichen Verläufen und auch Todesfällen, die unter üblichen Bedingungen vermeidbar wären, wie Martin Sprenger, Public-Health-Experte an der Med-Uni-Graz, verdeutlicht1.
Der Ostschweizer Psychiater Gunter Grein sieht eine erhebliche Krankheitslast der Bevölkerung im psychiatrischen Bereich auf uns zukommen2: Behandlungsbedürftige Angsterkrankungen, an denen ohnehin schon 15 Prozent der Bevölkerung leide, könnten durch die aktuellen Einschränkungen weiter zunehmen.
Gerade jetzt unter dieser verstärkten psychischen Belastung haben etwa 25 Prozent meiner Klientinnen und Klienten ihre Psychotherapie-Termine abgesagt, um der Aufforderung zur Verringerung sozialer Kontakte nachzukommen. Etwa gleich viele ergreifen die aktuell von mir gebotene Möglichkeit psychotherapeutischer Beratungstermine per Internet-Übertragung. Für viele Menschen ist der direkte persönliche Kontakt unentbehrlich, häufig fehlt aber auch ein Rückzugsort, an dem ungestört gesprochen werden kann.
Gunter Grein rät, den Fokus auf das zu lenken, was auch in der aktuellen Situation gut funktioniert: der Waldspaziergang, der Lebensmitteleinkauf, die Lektüre eines Buches, selbst im Familienkreis Musik zu machen oder laufen zu gehen. Und er betont, dass es in der Gesundheitsversorgung dringend eines Gleichgewichts zwischen Epidemiologen bzw. Virologen und der Berücksichtigung der negativen Seiteneffekte der aktuellen Beschränkungen auf die Gesundheit bedarf.
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15.3.2020, Stand vom 25.2.2023
Bis zum 30.6.2023 ersuche ich Personen, die aufgrund einer COVID-19-Infektion Verkehrsbeschränkungen unterliegen, von einem persönlichen Besuch meiner Praxis abzusehen. Bitte nehmen Sie in diesem Fall telefonisch Kontakt mit mir auf, um einen Termin nach Beendigung der Verkehrsbeschränkung zu vereinbaren.
Psychotherapie dient der Abhilfe von psychisch, psychosozial oder psychosomatisch bedingten Leidenszuständen. Psychotherapie ist integraler Teil der Gesundheitsversorgung und bleibt daher grundsätzlich auch unter Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie verfügbar. Daher bleibt meine Praxis zur Psychotherapie auch während der Pandemie unabhängig von allfälligen "Lockdown"-Maßnahmen für Sie geöffnet! Das Betreten des öffentlichen Raumes zur Inanspruchnahme einer Psychotherapie ist auch während Ausgangsbeschränkungen möglich. Es handelt sich dabei um die Deckung notwendiger Grundbedürfnisse des täglichen Lebens. Die Handlungsrichtlinien der Regierung zielen auf eine Verringerung sozialer Kontakte in erster Linie zur Vermeidung einer Überlastung des Gesundheitswesens. Bei einem Psychotherapie-Termin steht hingegen angesichts einer individuellen Leidenssituation im Vordergrund, wie wichtig dieser für Sie persönlich in Ihrer Situation ist! Nur im Falle einer persönlichen COVID-19-bedingten Verkehrsbeschränkung ersuche ich, deren Aufhebung abzuwarten, bevor Sie einen Termin bei mir in Anspruch nehmen.
Zur sicheren Gestaltung persönlicher Termine in meiner Praxis tragen die folgenden Vorkehrungen bei. Bei der Einhaltung dieser Vorkehrungen bin ich auch auf Ihre Mitwirkung angewiesen, um die ich Sie herzlichst ersuche:
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19.11.2019
Der Drang zu wiederholten, oft ritualisierten Handlungen und/oder das wiederholte Auftauchen bedrohlicher Gedanken können zu extremem Leidensdruck betroffener Personen führen. Beim intensiven Erleben des Zwangs handelt es sich um eine stets wiederholbare Schutzfunktion zur Verhinderung realer Intensitätserlebnisse und vor unvorhersehbaren Veränderungen1. Häufig treten Zwänge bei Menschen auf, die in einem strengen Elternhaus herangewachsen sind. Oft gehen sie mit einem sehr perfektionistischen Selbstbild einher.
Während die Verhaltenstherapie den Weg der Konfrontation sucht, geht die Personenzentrierte Psychotherapie einen anderen Weg: Im Schutz der therapeutischen Beziehung werden die den Zwängen zugrunde liegenden Emotionen und Bedürfnisse aufgespürt. Mit einem besseren Kennenlernen der eigenen Bedürfnisse baut sich ein Sicherheitsgefühl auf, welches die Zwänge als Schutz überflüssig werden lässt. Mit zunehmendem Vertrauen in sich selbst stellt sich eine Nachhaltigkeit der Wirkung der Psychotherapie ein. Damit kann an den Ursachen des Zwangsverhaltens bzw. der Zwangsgedanken angesetzt werden und einem späteren Wiederaufflammen oder einer Verschiebung eines Zwangs zu einem anderen von vornherein gut entgegengewirkt werden.
1 Teusch, L. (2014). Zwangsstörungen. In G. Stumm & W. W. Keil (Hrsg.), Praxis der Personzentrierten Psychotherapie (S. 221-225). Wien: Springer.
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25.10.2019, Stand vom 24.2.2023
In den 1930er und 1940er-Jahren entstand Carl Rogers' Ansatz der Personenzentrierten Psychotherapie als Gegenbewegung zum autoritären Modell von Beratenden, welche die Ziele für ihre Klientinnen und Klienten wählen. Nicht Anordnen, Verbieten, Ermahnung, Suggestion, Ratschläge oder intellektuelle Interpretation, sondern allein die Intentionen der Klientinnen und Klienten standen für Rogers im Fokus der Beratung bzw. Psychotherapie. Umfangreiche empirische Untersuchungen belegen eindrucksvoll die Wirksamkeit des Personenzentrierten Ansatzes.
Bis heute ist es jedoch eine selbstverständliche Gewohnheit, bzw. sogar Erwartung, sich bei jeder Gelegenheit Verhaltensregeln geben zu lassen: sei es von einer Gesetze exekutierenden Behörde im Gemeinwesen, von der Vorgesetzten am Arbeitsplatz, von der konsultierten Ärztin im Gesundheitswesen, vom Pädagogen in der Schule bzw. im Kindergarten, von den Eltern oder gar dem Partner daheim. Gesellschaftlich häufen sich gerade aktuell politische Bestrebungen, als überholt geglaubte autoritäre Denkweisen wieder zur Norm zu erheben.
Noch raffinierter aber wirkt in unserer auf Effizienz getrimmten Gesellschaft eine Selbstdisziplinierung: Aus dem Druck heraus, nicht unterzugehen, werden die Normen unseres sozialen Umfelds internalisiert und auch entgegen eigenen Bedürfnissen befolgt. Das kann durchaus mit dem Eindruck persönlicher Freiheit verbunden sein, gleichzeitig aber selbstzerstörend wirken, wie zahlreiche an Burnout leidende Menschen zeigen. Wie kann es möglich sein, sich ohne sichtbaren Zwang selbst zu schaden?
Kann Freiheit andererseits Grenzenlosigkeit bedeuten? Kann es Freiheit sein, ohne jede Rücksicht auf andere zu handeln? Kann es Freiheit der einen geben, die auf Kosten der Freiheit anderer geht? Der gesellschaftliche Begriff der Freiheit scheint unklar und nicht einfach fassbar! Das führt dazu, dass klar autoritäre Tendenzen unter dem Deckmantel der Freiheit schmackhaft gemacht werden können, wie zum Beispiel der in den letzten Jahrzehnten geprägte Begriff der Illiberalen Demokratie zeigt.
Der Personenzentrierte Ansatz von Rogers ist geeignet, mehr Klarheit zu vermitteln, was Freiheit ist. Die personenzentrierte Haltung ist ohne Freiheit von miteinander in Beziehung tretenden Personen nicht denkbar. Gleichzeitig beschreibt die personenzentrierte Theorie sehr genau, was diese Haltung ausmacht:
Wo immer in unserer Gesellschaft diese Haltung vorliegt, hat Freiheit ihren Platz. Eine personenzentrierte Haltung ist ein klarer Prüfstein für Freiheit in einer Beziehung zwischen Menschen. Insofern die Gesellschaft mit ihren Institutionen die Summe aller zwischenmenschlicher Beziehungen ist, kann die Verbreitung personenzentrierter Haltung Prüfstein für gesellschaftliche Freiheit sein. Der Personenzentrierte Ansatz ist geeignet, mehr Klarheit zu schaffen, was Freiheit bedeutet.
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07.08.2019
Viele Menschen schätzen den wohltuenden Effekt eines Aufenthalts in der Natur. Aber auch wissenschaftliche Untersuchungen widmen sich dem Thema:
Gemäß einer dänischen Studie leiden Menschen, die in einem natürlichen Umfeld aufgewachsen sind, um 55% seltener an psychischen Erkrankungen als Gleichaltrige, die während ihrer Kindheit über keinen Zugang zu Grünraum im unmittelbaren Wohnumfeld verfügt haben1. Dabei wurden Einflüsse sozialer Faktoren berücksichtigt und entsprechend herausgerechnet.
In den USA wurde ein Zusammenhang zwischen einer Verringerung von Stressmarkern im Blut und regelmäßigen Aufenthalten im Grünen festgestellt: Schon 20 bis 30 Minuten täglichen Aufenthalts im Grünen bewirken eine deutliche Senkung der Stressmarker, wenn mit dem Aufenthalt keine oder nur geringe körperliche Aktivität verbunden ist2. Ein kurzes Verweilen auf dem Parkbankerl oder ein kurzer Waldspaziergang haben demnach einen deutlichen Effekt auf das Stressniveau.
Eine australische Studie beschäftigt sich mit der Art des Grünraums hinsichtlich ihrer positiven Wirkung auf die Psyche3. Sie stellt fest, dass aus Rasen und Gebüsch bestehende Grünflächen einen Effekt missen lassen, während das Risko, psychisch zu erkranken, in der Nachbarschaft von Bäumen um ein Drittel sinkt und auch der allgemeine Gesundheitszustand von im Umfeld von Bäumen lebenden Menschen besser ist.
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07.04.2019
Borderline-Erleben ist von starken und schwankenden negativen Stimmungen geprägt, welche als ein Chaos der Gefühle empfunden werden1. So wie die meisten psychischen Leiden hat Borderline-Erleben seinen Ursprung in psychosozialen Faktoren in Verbindung mit einer von vornherein erhöhten Verletzlichkeit.
Klinisch kann beobachtet werden, dass beim Borderline-Erleben intensivierte belastende Gefühle verbunden sind mit reduzierten Möglichkeiten zur Verarbeitung von Gefühlswahrnehmungen. Mittlerweile wurde erkannt, dass das nicht lebenslänglich so bleiben muss. Hilfe durch Psychotherapie ist möglich. Eine Psychotherapie führt generell zu einer breiteren Wahrnehmung von Gefühlen und zu deren Reflexion, so dass sie besser eingeordnet und verarbeitet werden können. Sie setzt somit genau beim Einbringen von Struktur in das Borderline-Erleben an.
Neurophysiologische Untersuchungen mittels bildgebender Verfahren bestätigen auf faszinierende Weise die Problematik bei der Verarbeitung von Gefühlswahrnehmungen2. Dadurch wird das Verständnis des aus klinischen Beobachtungen bekannten allgemeinen Prinzips des Borderline-Erlebens erhärtet. Zur Linderung der individuellen Leidensgeschichte ist damit jedoch noch nicht viel gewonnen. Dazu ist ein Verstehen der individuellen Person mit ihren Gefühlen in ihrem psychosozialen Zusammenhang nötig. Ein solches individuelles Verstehen wird in einer Psychotherapie ermöglicht.
Für ein besseres Verständnis zwischen Angehörigen und Betroffenen angesichts der Belastung von Beziehungen durch Borderline-Erleben wurde die Plattform Borderline-Trialog3 ins Leben gerufen. Sie setzt sich die Begegnung zwischen Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten auf gleicher Augenhöhe zum besseren gegenseitigen Verstehen zum Ziel.
1 Bergemann, W. (2017). Wie sich Borderline heilen lässt: Ruhe nach dem Daueralarm. Deutschlandfunk.
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20.01.2019
Wenn sich die Wahrnehmung des Erlebten verändert, wird vom Vorliegen einer Psychose gesprochen. Dabei werden häufig Stimmen gehört oder Objekte gesehen, welche von anderen Menschen nicht wahrnehmbar sind.
Psychosen können organisch bedingt sein, z.B. durch Verletzungen oder Erkrankungen des Gehirns oder durch die Einnahme von Drogen. Häufig sind Psychosen aber psychisch bedingt. Psychisch hervorgerufene Psychosen können als "natürlicher" Schutzmechanismus verstanden werden, um unerträgliche, das Selbst zutiefst erschütternde Wahrnehmungen abzuwehren.
Bei psychotischer Symptomatik sollte eine Psychotherapie von einer medizinisch-psychiatrischen Abklärung und Behandlung begleitet werden. In einer Psychotherapie können die Auslöser psychisch bedingter Psychosen bearbeitet werden. Damit können die auslösenden Faktoren einer Psychose minimiert werden, die "Schutzfunktion" der Psychose wird nicht mehr benötigt. Die Psychose begleitende quälende Gefühle werden schwächer oder verschwinden ganz.
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09.12.2018
Gefühllosigkeit wird oft landläufig als weitgehend vererbter Charakterzug gesehen. Kürzlich wurde im Journal of the American Academy of Child & Adoloescent Psychiatry eine Studie veröffentlicht, welche einen klaren Zusammenhang zwischen dem Fehlen elterlicher Zuwendung und gefühllosem, aggressivem Verhalten von Heranwachsenden feststellt.
Dabei wurden eineiige Zwillingspaare untersucht. Die Eltern wurden zu Unterschieden ihres Verhaltens gegenüber ihren Kindern in Bezug auf Härte und gefühlvoller Wärme befragt, und von den Müttern wurden überdies Angaben zum Verhalten ihrer Kinder eingeholt. Daraus ergab sich bei identischer genetischer Voraussetzung ein klarer Zusammenhang zwischen gefühlloserem elterlichen Verhalten und Gefühllosigkeit bzw. aggressivem Verhalten des davon betroffenen Kindes. Fehlende elterliche Zuwendung korreliert demnach bei Ausschluss allfälliger genetischer Effekte unabhängig von Geschlecht und Alter eindeutig mit Aggressivität und gefühllosem Verhalten der Kinder. Ein niedriges Familieneinkommen verstärkt diese Korrelation.
Die Studie ist ein weiterer Hinweis darauf, wie wichtig elterliche Zuwendung und elterliche Wärme für unsere Entwicklung ist. Wir konnten wohl alle in unserer Kindheit die eigene Erfahrung machen, wie bedeutend für uns Verständnis und unbedingte Wertschätzung waren.
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18.11.2018
Wir fühlen uns nicht mehr verstanden. Mitteilungen unserer Partnerin oder unseres Partners gehen an den eigenen Bedürfnissen vorbei. Wir bekommen das Gefühl, dass die eigenen Bedürfnisse zu kurz kommen, dass die Beziehung zunehmend einen einmal eingespielten unausweichlichen Verlauf nimmt und oberflächlich wird.
Wenn wir unsere Bedürfnisse nicht wahrnehmen können, wird unsere Kommunikation widersprüchlich. Was wir bewusst mitteilen, unterscheidet sich von dem, was unsere Partnerin oder unser Partner "zwischen den Zeilen" herauslesen kann. Unser Gegenüber neigt dazu, darauf ebenfalls widersprüchlich zu reagieren. Beide werden sich unverstanden, ja von der anderen Person bedroht fühlen, sie werden eine verteidigende Haltung einnehmen. Die Beziehung wird von beiden zunehmend als oberflächlich und als unbefriedigend erlebt, das Sexualleben wird beeinträchtigt.
Wenn es uns gelingt, die Widersprüche in uns zu klären, uns so anzunehmen, wie wir sind, wird auch unsere Kommunikation weniger widersprüchlich sein. Das fördert klarere Reaktionen unseres Gegenübers. Beide fühlen sich verstanden und so geschätzt, wie sie sind. Die Beziehung wird tiefer und befriedigender.
Personzentrierte Paartherapie geht von den beiden Individuen aus. Die Entfaltung, das Wachstum des Einzelnen wird als Kern für gegenseitiges Verstehen gesehen, worauf die Beziehung als befriedigend erlebt werden kann.
In jedem Fall ist das Individuum mit seinen Bedürfnissen der Ausgangspunkt für einen Prozess, an dessen Ende ein neuer Blick auf sich selbst, auf die Partnerin oder den Partner, sowie auf die Beziehung steht.
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11.11.2018
Die Gedanken drehen sich im Kreis, Zerstreutheit stört das Denken, Emotionen können nur schwer wahrgenommen werden oder Gefühle wie Angst, Hoffnungslosigkeit, Trauer, Wut werden übermächtig, Gedanken an Suizid können sich breit machen. Das deutet auf eine psychische Krise hin. Krisen haben stets einen Auslöser. Das kann ein plötzlich eintretendes bedrohliches Ereignis sein (z.B. Tod nahe Stehender, Krankheit, Beziehungskrise). Aber auch eine lang andauernde Belastung durch eine Veränderung im Leben kann eine Krise auslösen. Dabei kann es sich auch um Veränderungen handeln, die positiv gesehen werden (z.B. Schwangerschaft, Heirat, Pensionierung). Wie gut eine Bedrohung bewältigt werden kann, hängt sehr von der Ausgangsstabilität der Persönlichkeitsstruktur ab.
Nach plötzlichen bedrohlichen Ereignissen führt eine anfängliche Schockphase zu Orientierungslosigkeit, Erstarren, Einengung des Bewusstseins oder zu einer Art Betäubung, bei der sich die Person so empfindet, als geschehe alles rund um sie ohne ihre Anteilnahme.
Der Schockphase folgt eine Reaktionsphase, die durch ein Chaos der Gefühle oder eine Depression gekennzeichnet sein kann. Schließlich kann es danach zu einer Bearbeitung der Bedrohung und im guten Fall zu einer Neuorientierung kommen. Im ungünstigen Fall, wenn die Bearbeitung nicht gelingt, kann sich eine Krise chronifizieren.
Entsprechend dieser Phasen geht es bei der Bewältigung einer Krise zuerst einmal darum, den Krisenanlass bzw. die Krise zu verstehen, was oft nicht leicht ist. Das Nachspüren von Gefühlen, die mit der Bedrohung einhergehen, entlastet, und es können einerseits gewohnte Strategien zur Bewältigung neu aktiviert werden, andererseits neue Lösungen zur Bewältigung der Bedrohung gesucht werden.
In der Konfrontation mit andauernden Belastungen bleibt das gewohnte Verhalten zur Problemlösung wirkungslos und die Person fühlt sich als Versagerin, weil sie die Krise nicht bewältigen kann. Eine Mobilisierung sämtlicher interner wie externer Ressourcen kann zu einer Bewältigung der Krise führen. Wenn das nicht gelingt, folgt Resignation und es kommt zu einer Chronifizierung: Rat- und Orientierungslosigkeit machen sich breit, und häufig kommt es zu Substanzmissbrauch, suizidalem Verhalten oder zum Ausbruch von Krankheiten. Nach einer Bearbeitung der Krise in einer Psychotherapie kann schließlich eine Neuorientierung erfolgen.
Wenn Gedanken daran, sich selbst zu töten, übermächtig werden, scheuen Sie nicht, sich rasche Hilfe zu holen. Hier finden Sie Notrufnummern, an die sie sich wenden können.
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5.11.2018
Angst wird als sehr qualvoll erlebt, wenn sie über längere Zeit anhält. Angst kann ohne ersichtliche Bedrohung auftreten und dabei so stark sein, dass sie nicht mehr kontrolliert oder ausgehalten werden kann. Angst verursacht damit großes Leid und kann das Leben aufs Äußerste einschränken, weil sich alles auf sie zu konzentrieren scheint.
Angst kann bei manchen Menschen ganz allgemein vorherrschen, ohne auf bestimmte Situationen beschränkt zu sein. Bei anderen sind bestimmte Gegenstände oder soziale Situationen mit starken Angstgefühlen verbunden.Angst kann sich auch in wiederkehrenden schweren Panikattacken äußern. Panikattacken werden oft mit einem Herzinfarkt verwechselt, sind aber eine natürliche körperliche Reaktion der Flucht- bzw. Angriffsbereitschaft auf eine vermeintliche Bedrohung: Atemnot, ein Gefühl der Enge im Brustbereich und in der Kehle, schneller Atem, Schweißausbrüche, Herzrasen, Schwindelgefühle, ein Zittern und Übelkeit können die Kennzeichen einer Panikattacke sein. Oft sind Panikattacken mit dem Gefühl verbunden, wie weggetreten oder benommen zu sein, nicht mehr selbst zu sein. Panikattacken können von einigen Minuten bis zu einer halben Stunde andauern. Es ist auch eine natürliche Reaktion des Körpers, diese Alarmsituation nach längstens etwa 30 Minuten wieder zu beenden.
Panikattacken sind das Ergebnis automatisierter emotionaler und gedanklicher Vorgänge. Sie beruhen auf der Fehlinterpretation körperlicher Wahrnehmungen, die im Lauf der Zeit durch Wiederholung "gelernt" und so fest verankert wird. Panikattacken können dann durch äußere Situationen ausgelöst werden, die keinen ersichtlichen Zusammenhang mehr mit der Ursache der Angst aufweisen.
In einer Psychotherapie ist es möglich, eigenen Bedürfnissen nachzuspüren und ihnen ausreichend Raum zu geben. Körperliche Wahrnehmungen können so neu interpretiert werden, sodass Panikattacken nicht mehr auftreten und Angstgefühle nicht mehr zur Qual werden.